Material mit Zukunft
Mit der Entscheidung für ein Material, aus dem ein Bauwerk besteht, wird die Funktion und die Wirkung des Gebäudes unterstützt. Je mehr Baustoffe zur Verfügung stehen, umso vielfältiger sind die Gestaltungsmöglichkeiten, nicht nur in der Konstruktion, sondern auch der Optik und Haptik der Oberflächen.
Lange Zeit waren die Möglichkeiten von Baustoffen begrenzt, über viele Jahrhunderte prägten die Baustoffe Holz und Stein die gebaute Umwelt. Konnte der Baumeister früher außer Holz nur auf Druck beanspruchte Materialien nutzen, die die Spannweite drastisch einschränkten, so eröffnete die Entdeckung von Eisen bzw. Gusseisen und Stahl als Baumaterial ungeahnte Möglichkeiten in puncto Spannweite und Gebäudehöhe. Die industrielle Revolution Ende des 19. Jahrhunderts und die dadurch größere Verfügbarkeit von Gusseisen als Baustoff für Konstruktionen führte zu einem Bruch mit den bis dato überlieferten Formvorstellungen der Baumeister. Diese Entwicklung erforderte ein Umdenken in der Architektur sowie der Ingenieurskunst: in der Konstruktion, der Funktion und in der Gestaltung. Denn das „neue“ Material ermöglichte es, die materielle Schwere der Konstruktion zu überwinden.
„… der Sinn des Eisens ist, hohe Beanspruchungsmöglichkeiten auf geringste Dimensionen zu kompensieren. Eisen öffnet Räume. Die Wand kann zur durchsichtigen Glashaut werden, das führt zu neuen Gesetzen der Gestaltung…“ Sigfried Giedion, 1928
Schlanke Rahmen mit biegesteifen Knoten und Fachwerken bilden ein ergänzendes Sekundärtragwerk und erlauben offene, flexibel nutzbare Grundrisse – unabhängig von der Fassade und deren Öffnungen. Die ersten ingenieurtechnischen Prototypen mit weit gespannten Tragwerken entstanden im Zuge des Ausbaus von Eisenbahnstrecken in Form von eisernen Bahnhofsdächern.
Als Höhepunkt dieser neuen Typologie, in der sich Konstruktion, Form und gestalterischer Anspruch virtuos vereinen, gilt der Kristallpalast in London anlässlich der Weltausstellung von 1851. Kein Architekt oder Ingenieur war für den Entwurf und die Umsetzung verantwortlich, sondern der britische Gärtner Joseph Paxton, der schon geraume Zeit mit Eisen-Glas-Konstruktionen für seine Gewächshäuser experimentierte. Leicht und grazil sitzt die mächtige Konstruktion aus Eisen, Glas und Holz mit über drei Geschossen im Hyde Park. Modular aus vorgefertigten Eisenteilen und Glassegmenten hergestellt und in kurzer Bauzeit errichtet und wieder demontierbar, steht dieser Bau stellvertretend für den Beginn der Glas-Stahl-Architektur moderner Hochhauskonstruktionen. Als „die Verwirklichung eines neuen Baugedankens, für den es kein Vorbild gab“, hebt Sigfried Giedion in seinem Buch „Space, Time and Architecture – The Growth of A New Tradition“ die Sonderstellung dieses Bauwerks hervor.
Die ersten in Glas aufgelösten Fassaden entstehen nun auch für Industriebauten, um die Arbeitsbedingungen mit Hilfe von Tageslicht, Sonne und Luftwechsel in den Produktionsstätten zu verbessern und dadurch die Arbeitsleistung zu erhöhen. Ludwig Mies van der Rohe entwirft mit seinem Wettbewerbsbeitrag für ein Hochhaus in Berlin 1921 seine Vision einer „Glas-und-Knochen-Architektur“, deren transparente Glashaut eine tragende Stahlkonstruktion überzieht. Sie bildet die Blaupause für heutige Hochhausvisionen. Industrieprozesse und -materialien, die sich als schlichte Funktionalität und formale Zurückhaltung stilbildend im damaligen Zeitgeist manifestieren, erfahren eine neue Beachtung. Vor diesem Hintergrund ist auch der Einsatz von Stahl vom Gebäude bis zum Möbelentwurf zu lesen. Das Prinzip der Gebäudehülle, die wie ein Vorhang das Primärtragwerk umschließt, ermöglicht die flexible Nutzung der Grundrisse, die unabhängig von der Fassade frei zoniert werden können. Heute sind Vorhangfassaden von großer Bedeutung für eine wirtschaftliche Errichtung von Gebäuden, vor allem im Büro- und Verwaltungsbau, aber auch bei Kulturbauten und Bauten für die Infrastruktur.
Große Herausforderungen stellen sich auch heutzutage bei der Planung und Realisierung von großformatigen Fassadenflächen. Der Spagat zwischen den gestalterischen Anforderungen an maximale Scheibenformate und eine minimierte Tragstruktur und der Erfüllung der baulichen Anforderungen an Schallschutz, Wärmeschutz, Sonnenschutz, Verdunklung, Windlast, Brandschutz und Absturzsicherheit erfordert Teamwork zwischen den am Bau Beteiligten. Für das Projekt Futurium kam eine Sonderlösung als Stahl-Glaskonstruktion zum Einsatz, die nur mit Stahlprofilen, die das System der statischen Lastabtragung umkehren, umsetzbar ist.
Transparent und schwerelos wirkt auch der neue Hauptbahnhof von Arnheim. Inspiriert von der hügeligen Landschaft um die niederländische Großstadt entwickelten die Architekten ein organisches Gebäude in Anlehnung an das Prinzip der Kleinschen Flasche, bei dem innen und außen unmerklich ineinander übergehen. Mit Höhen von bis zu sechs und Längen bis zu 25 Metern ließen sich die geschwungenen Glasfassaden enormen Formats nur als Stahlkonstruktion freitragend realisieren.
Die Verwendung von Stahl ermöglicht Architekten und Planern höchste Nutzungsflexibilität durch große Spannweiten sowie eine hohe Wirtschaftlichkeit durch minimierte Querschnitte. Doch neben seinem gestalterischen und ökonomischen Potenzial ist das Material Stahl auch wertbeständig und erlaubt ein nachhaltiges Bauen und Nutzen von Gebäuden. Denn Stahl wird nicht verbraucht, sondern stets ohne Qualitätsverlust wieder genutzt: Durch seine 100%ige Recyclingfähigkeit ist Stahl ein regenerativer Baustoff mit geschlossenem Werkstoffkreislauf, der stets weiterentwickelt und im Produktionsprozess hinsichtlich des Energieaufwands sukzessive optimiert wird.
Um dies zu dokumentieren, hat die Stahlbranche EPDs (Environmental Product Declarations) beim VFF (Verband für Fenster und Fassaden) in Auftrag gegeben, die die Nachhaltigkeit des Werkstoffes in der Gebäudehülle sowie beim Innenausbau eindeutig belegen.
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