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Heute schon über morgen nachdenken

Immer neue Themen bestimmen unsere tägliche Berufspraxis – 3D­ Drucker und Roboter auf der Baustelle, Anwendungen, die dank Künstlicher Intelligenz eine Vielzahl von Entwurfsvarianten generieren und Baumaschinen mit der Planung verknüpfen, etc. Es lohnt sich, einen Blick auf die Chancen und Herausforderungen der Zukunft zu werfen.

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PROFILE: Welche Entwicklungen werden die Baubranche in naher Zukunft revolutionieren?

Oliver Hans: Ich würde derzeit von einer sich beschleunigenden Evolution des Bauens sprechen. Zwischen der Planung und der Bauausführung gibt es aber noch Geschwindigkeitsunterschiede. Neue Planungswerkzeuge können z. B. heute schon mittels Künstlicher Intelligenz selbständig Grundstücke in Städten für eine Projektentwicklung suchen oder typologische Bebauungsvorschläge bis hin zur Generierung von Grundrissvarianten erstellen. Auch in der Betriebsphase von Gebäuden optimiert Software heute schon vieles in Echtzeit und lernt gleichzeitig auch für Folgeprojekte. Während datenbasierte Planungs-­ und Analysewerkzeuge ständig »intelligenter« und schneller werden, sind viele Fertigungsprozesse davon weitestgehend unbeeinflusst geblieben. Je intensiver die Fertigung und die Baustelle digital unterstützt werden, desto schneller wird dieses Potenzial heutiger Software und KI auch dort nutzbringend einsetzbar. Automatisierung und auch Robotik werden im Bauwesen zunehmen. Allerdings wird das m. E. stärker in der Werkhalle als auf der Baustelle zu sehen sein. Durch Vorfertigung in der Werkhalle lassen sich die Randbedingungen zur Einhaltung von Zeit­ und Kostenzielen optimieren, bei gleichzeitiger Qualitätssteigerung und der Reduktion von Materialverbrauch. Maschinen und Robotik sind unter diesen kontrollierten Bedingungen und Prozessen günstiger einzusetzen als auf der ständig sich verändernden Baustelle. Der Trend zur Verlagerung der Produktionsstätte in die Halle ist derzeit bei der Weiterentwicklung von Holz­ und Holzhybridbauten gut sichtbar. Vorfertigung und Modulbauweise sind weder Neuentwicklungen noch auf Holz beschränkt. Durch die Bestrebung nach immer kürzeren Bauzeiten und eine immer komplexer werdende Baustellenlogistik in verdichteten Städten sind diese Konzepte von wachsender Bedeutung. Die Vorfertigung erfordert einen veränderten Planungsansatz nach DFMA (Design for Manufacturing and Assembly), der durch »intelligente« Werkzeuge und Konfiguratoren unterstützt werden kann. Die angesprochene ad­ditive Fertigung und der 3D-­Druck haben ebenfalls das Potenzial, in der Baubranche einiges zu verändern. Es werden Materialeinsparungen und komplexere Formen möglich, die die Grenzen des Plan­- und Baubaren verschieben werden und neben neuen, materialeffizienteren Tragwerken auch eine neue Formensprache provozieren. Hier werden wir sicher noch interessante Entwicklungen sehen, die über das Experimentelle hinausgehen. Bis 2025 müssen z. B. in Dubai alle öffentlichen Gebäude zu 25 % durch additive Fertigung erstellt werden. Es bleibt abzuwarten, wie dies im Einzelnen umgesetzt wird. Entscheidend ist, dass bei aller Automation, Optimierung und Standardisierung der Prozesse die Individualisierbarkeit gestärkt wird, um eine lebendige gebaute Umwelt sicherzustellen. 

PROFILE: Andere Branchen sind gefühlt weiter als die träge Bauwirtschaft. Welche Rolle wird die interdisziplinäre bzw. multidisziplinäre branchenübergreifende Zusammenarbeit in Zukunft spielen? Von wem kann die Baubranche im Speziellen lernen?

Oliver Hans: Obwohl die Bauindustrie einen der größten Wirtschaftszweige darstellt, hat ihre Produktivität in den letzten 20 Jahren im Vergleich zu anderen Industrien kaum zugenommen, in manchen Märkten sogar abgenommen. Dass die Baubranche bei der Adoption von Veränderung im Verhältnis zu anderen sehr langsam ist, liegt unter anderem an der Wahrnehmung der Projekte als Unikate, der großen Anzahl an Beteiligten in immer neuen Konstellationen und der starken Prozessfragmentierung. Die Auswertung von Projekten und ihr Vergleich, das Benchmarking, werden so weniger betrieben als in anderen Branchen. Ein weiterer Punkt ist, dass der wesentliche Informationsträger während der Ausführung noch das Papier ist, was Analyse und Optimierung stark verlangsamt.

PROFILE: Ein disruptives Element der heutigen Zeit sind Start-ups – Proptech, aber auch übergreifende Anwendungen, die mehrere Professionen miteinander verbinden. Welche Innovationen sind Ihnen in letzter Zeit aufgefallen? Wo geht die Reise hin?

Oliver Hans: Dass die Immobilienbranche als Geschäftsfeld für Start­ups erkannt wird, ist grundsätzlich ein positives Zeichen. Das breitgefächerte Spektrum, das unter dem Begriff Proptech (Digitalisierung der Immobilienbranche) zusammengefasst wird, betrifft diverse Felder der Immobilienwirtschaft und reicht von der Grundstückssuche und ­-akquise über das Baustellenmanagement bis hin zur Gebäudenutzung und zum Facility Management. Daten werden dabei besser und/oder in neuer Kombination genutzt und dadurch neue Dienstleistungen entwickelt. Auch der Einsatz anderer Technologien wird dadurch beschleunigt, z. B. Sensorik oder Mechatronik im Gebäude, die die notwendigen Daten liefern und dadurch erst Modelle wie z. B. Pay-­per-Use-­Aufzüge möglich machen. Das Internet of Things zieht damit immer stärker in Gebäuden ein. Zutrittskontrollen, Klimasysteme, Versorgungssysteme werden durch ihre Vernetzung adaptiver, leichter zu verwalten, auszuwerten und zu verbessern. Der Trend zu Smart Buildings deckt sich mit dem zu Smart Cities. Öffentliche Verwaltungen nutzen Daten immer effek­tiver und stellen immer mehr Informationen bereit (Open Data). So entstehen neue Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Neue Titel in der Stadtverwal­tung wie der »Civic Innovation & Technology Manager« oder »City Strate­gic Data Manager« verdeutlichen, dass Verkehr, Gebäude und Stadtraum zunehmend Daten austauschen werden. Der diversifizierte physische Prozess auf sich ständig verändernden Baustellen macht Innovationen oft komplexer. Aber auch im »Contech«­Bereich gibt es sehr interessante Entwicklungen. Mit autonomen LiDAR-­Drohnen können Kartierungen für Fortschrittskontrollen oder Kollisionsprüfungen durchgeführt werden, Roboter assistieren beim Auf­- und Abbau von Gerüsten oder erstellen Mauern selbständig und automatisiert. Auch hier spielen Datenanalysen und KI eine wachsende Rolle. Das reicht von der Fortschrittsüberwachung und -­optimierung bis zur automatischen Bildanalyse, die Gefahrensituationen auf der Baustelle in Echtzeit erkennen kann und sofort meldet.