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E-Mobilität neu gedacht. Mit dem Stadtauto e.Go Life

Ist aktuell von der deutschen Automobilindustrie die Rede, dann steht sofort die Dieselproblematik im Raum. Schade eigentlich. Denn mit dem e.GO Life steht ein vielversprechendes Elektroauto Made in Germany kurz vor der Markteinführung. Die Reichweite des Fahrzeugs ist überschaubar, stattdessen ist der e.GO Life bewusst als kostengünstiges Stadtauto konzipiert. Kreativer Kopf dahinter ist der Unternehmer Günther Schuh, der bereits den 2014 von der Post aufgekauften E-Transporter »StreetScooter« mitentwickelt hat.

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Die erfolgsverwöhnte deutsche Automobilindustrie steht am Scheideweg: Einerseits muss sie die Folgen der aktuellen Dieselkrise verarbeiten, zugleich muss sie Milliarden in neue Technologien stecken, ohne dabei so richtig zu wissen, wohin die Reise weitergehen wird. Fest steht eigentlich nur, dass Mobilität künftig umweltfreundlicher sein wird und sein muss. Aber werden sich am Ende eher Elektroantriebe, eher Brennstoffzellen oder eher Hybridkonzepte durchsetzen? Welche Rolle wird das autonome Fahren bei diesem tiefgreifenden Wandel spielen? Und noch weiter gedacht: Bleibt der Besitz eines Fahrzeugs auch weiterhin wichtig? Oder werden die Menschen ihre Mobilität letztlich vor allem über Sharing-­Plattformen beziehen oder vermehrt auf Bus und Bahn umsteigen?

Inmitten dieser unübersichtlichen Gemengelage hat in den vergangenen Jahren insbesondere das US­-Unternehmen Tesla auf sich aufmerksam gemacht. Der Konzern setzt bei der Produktion seiner Fahrzeuge auf den Einbau leistungsfähiger Batterien und E-Antriebe und verbindet so grünes Gewissen mit höchstem Fahrkomfort und Reichweiten von bis zu 600 Kilometern. Eine ähnliche Strategie verfolgen mittlerweile auch andere Modelle wie der Jaguar I­-Pace, der Mercedes ECQ oder der Audi e­-tron. Wunderbar, so könnte man meinen. Aber ist es wirklich sinnvoll, bei der weiteren Entwicklung von E­-Autos das Thema Reichweite in den Vordergrund zu stellen, wenn doch laut einer 2016 durchgeführten Studie am Massachusetts Institute of Technology nur etwa jede achte Autofahrt länger als 150 Kilometer ausfällt? Hinzu kommt, dass die hohen Reichweiten mit deutlich höheren Anschaffungskosten einhergehen, sodass das vielversprechende Thema E­-Mobilität auf absehbare Zeit eher Gutverdienern vorbehalten bliebe.

Ganz andere Wege geht deshalb Günther Schuh, Professor am Lehrstuhl für Produktionssystematik an der Technischen Hochschule Aachen (RWTH) und Geschäftsführer der 2015 gegründeten e.GO Mobile AG: »Sosehr ich den Tesla auch schätze, es ist ökologisch und ökonomisch komplett unsinnig, mit einem Elektroauto, das eine tonnenschwere Batterie mit sich trägt, schnell und weit fahren zu wollen. Das kann man eigentlich nur mit Brennstoffzellen machen.« Als Alternative hat der umtriebige E­Auto­Pionier den e.GO Life entwickelt, der mit einer Reichweite von 104 Kilometern und einer Höchstgeschwindigkeit von 116 km/h (Angaben für die Basisversion) in erster Linie für Fahrten innerhalb der Stadt konzipiert ist. Schnelle Autobahnfahrten sind mit dem Fahrzeug nicht drin. Entsprechend soll der e.GO Life aber bereits für einen Preis ab 15.900 Euro zu haben sein und damit einen Kundenkreis ansprechen, den die Autoindustrie bislang noch gar nicht im Blick hat: die Krankenschwester oder den Handwerker etwa, die damit morgens zur Arbeit fahren wollen. Eltern, die ihre Kinder zur Schule bringen und hinterher ihren Großeinkauf tätigen. Oder flexible Gutverdiener, die sich einen ökologischen Zweitwagen für Fahrten in der Stadt anschaffen wollen.

Aktuell ist der e.GO Life auf unseren Straßen noch nicht zu sehen. Aber im soeben fertiggestellten Werk in Aachen sollen ab Frühjahr 2019 jährlich rund 10.000 Fahrzeuge der Marke vom Band laufen. »Ab 2020 sollen es dann sogar 20.000 Fahrzeuge sein«, blickt Günther Schuh optimistisch nach vorn. Das klingt vollmundig. Aber dass der 59­-jährige Unternehmer nicht nur reden, sondern auch handeln kann, hat er bereits mit der Gründung der StreetScooter GmbH zum Bau von Elektrotransportern bewiesen. Damals ist er von vielen in der Branche noch als Exot belächelt worden. Zu Unrecht, wie sich herausstellen sollte. Denn nach dem Absatz tausender Fahrzeuge war die Deutsche Post dazu bereit, das erfolgreiche Start­up 2014 für eine hohe Summe aufzukaufen.

Noch einen Schritt weiter geht Günther Schuh jetzt mit dem e.GO life. Während die etablierten Hersteller aus Wolfsburg, Rüsselsheim oder anderswo noch artig nachdenken, macht der Aachener Unternehmer einfach vor, wie sich mit viel Mut und Erfindergeist auch am Standort Deutschland ein bezahlbares und ökologisch nachhaltiges Elektroauto für Privatnutzer entwickeln und fertigen lässt. Klingt fast wie im Märchen. Und ist auch nur deshalb möglich, weil sich die e.GO Mobile AG bei der Entwicklung ihrer Fahrzeuge auf das Know­how des von Günther Schuh selbst gegründeten Technologienetzwerks des RWTH Aachen Campus stützen kann; und weil sich der e.GO Life außerhalb der gängigen Konventionen des Automobilbaus bewegt und zum Beispiel ohne selbsttragende Karosserie auskommt. Als Basis fungiert stattdessen ein mittig platzierter, hochbelastbarer und crashfester Rahmen aus Aluminiumprofilen, wie wir ihn sonst nur von Oldtimern oder Rennwagen her kennen. Ebenso aus der Rolle fällt die Außenhaut des Fahrzeugs, die ähnlich wie seinerzeit beim Trabbi komplett aus Thermoplast besteht – einem unter Wärmeeinwirkung formbaren Kunststoff, der gleichzeitig in der gewünschten Karosseriefarbe angeliefert wird, sodass keine Lackiererei benötigt wird.

Das Ergebnis dieser unkonventionellen Herangehensweise ist ein E-­Auto, das sich im Kostenvergleich überraschend klar gegen die Konkurrenz der etablierten Hersteller durchsetzt. Und das damit einen vielversprechenden Ansatz schafft, um das Konzept der Elektromobilität weiter voranzutreiben und für breitere Käuferschichten erschwinglich zu machen. Schöne Aussichten also für die Umwelt und für den Standort Deutschland gleichermaßen.


Text: Robert Uhde
Fotos: e.GO Mobile AG