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VOB/B-Vertrag im Fokus: 80 Prozent Nachtragsvergütung durch Auftraggeber

Seit der Baurechtsreform 2018 ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt, dass der Auftraggeber auch bei Streit über die Höhe der Nachtragsvergütung jedenfalls 80 Prozent zu bezahlen hat. Dies bietet dem Auftragnehmer – etwa einem Schüco Partner – mehr Sicherheit. Aber gilt das auch bei einem VOB/B-Vertrag?

Für Schüco Partner: 80-Prozent-Regelung und VOB/B (Bildnachweis)
Bildnachweis: Shutterstock / Robert Kneschke

Nicht selten besteht Uneinigkeit zwischen Auftraggeber und -nehmer, in welcher Höhe ein Nachtrag zu vergüten ist. Aufgrund der Vorleistungsverpflichtung muss der Auftragnehmer nach einer Anordnung dem Grunde nach ausführen, ohne dass er die letztendliche Gewissheit hat, in welcher Höhe er eine Vergütung erhält. Dies verschärft sich, wenn der Auftraggeber zwar anordnet, aber der Auffassung ist, die Leistung gehöre zum Vertragssoll und sei deshalb überhaupt nicht gesondert zu vergüten. Dann wird er die Nachtragsvergütung in Abschlagsrechnungen heraus kürzen.

Neues Bauvertragsrecht: minimum 80 Prozent Vergütung?

Mit dem Einzug des Bauvertragsrechts ins BGB wurde auch die Regelung des § 650c Abs. 3 BGB geschaffen. Diese soll die Position des Unternehmers in derartigen Fällen stärken. In Fällen, in denen keine Einigkeit über die Höhe erzielt wurde, hat der Auftragnehmer die Möglichkeit, in seinen Abschlagsrechnungen 80 Prozent der Nachtragsvergütung gemäß seines Angebots in Ansatz zu bringen. Die restlichen 20 Prozent kann er dann erst mit der Schlussrechnung geltend machen.

§ 650c Abs. 3 BGB im Wortlaut

Bei der Berechnung von vereinbarten oder gemäß § 632a geschuldeten Abschlagszahlungen kann der Unternehmer 80 Prozent einer in einem Angebot nach § 650b Absatz 1 Satz 2 genannten Mehrvergütung ansetzen, wenn sich die Parteien nicht über die Höhe geeinigt haben oder keine anderslautende gerichtliche Entscheidung ergeht. Wählt der Unternehmer diesen Weg und ergeht keine anderslautende gerichtliche Entscheidung, wird die nach den Absätzen 1 und 2 geschuldete Mehrvergütung erst nach der Abnahme des Werks fällig. Zahlungen nach Satz 1, die die nach den Absätzen 1 und 2 geschuldete Mehrvergütung übersteigen, sind dem Besteller zurückzugewähren und ab ihrem Eingang beim Unternehmer zu verzinsen. § 288 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 und § 289 Satz 1 gelten entsprechend.

Vorteil neues Bauvertragsrecht

Der Vorteil des Ansatzes von 80 Prozent ist, dass der Auftraggeber diesen nicht kürzen darf mit der Begründung, dem Auftragnehmer stünde keine oder eine geringere Nachtragsvergütung zu. Ist der Auftraggeber nicht einverstanden, muss er eine gerichtliche Entscheidung – in Form einer einstweiligen Verfügung nach § 650d BGB – erstreiten. Nur mit dieser hat er ein Recht, die Vergütung nicht auszuzahlen.

Leistungsverweigerungsrecht und § 650b BGB

Anderenfalls gerät er bei Nichtzahlung in Verzug, was letztendlich ein Leistungsverweigerungsrecht und gegebenenfalls – nach Androhung – ein Kündigungsrecht des Auftragnehmers nach sich zieht.

Die Nachtragssystematik im BGB weicht aber mit der Einigungsphase nach § 650b BGB, welche einer Anordnung vorausgeht, vom Prozedere der VOB/B ab. Die VOB/B sieht nach § 1 Abs. 3, 4 VOB/B ein sofortiges Anordnungsrecht des Auftraggebers vor.

Deshalb stellte sich die Frage, ob die 80-Prozent-Regelung des § 650c Abs. 3 BGB auch Anwendung findet, wenn es sich um einen VOB/B-Vertrag handelt. Dies hat das Kammergericht Berlin mit Urteil vom 02.11.2021 (Az. 27 U 120/21) bejaht:

Die Regelung des § 650 c III 1 BGB ist auf das Vertragsverhältnis anwendbar, wenn die Vertragspartner die Anwendung der VOB/B und damit die Geltung der Regelung von § 16 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB/B vereinbart haben. Dann handelt es sich bei einer Abschlagsrechnung um eine „vereinbarte“ Abschlagszahlung i.S.v. § 650 c Abs. 1 BGB.


Weil sich die Vertragspartner unstreitig nicht über die Höhe geeinigt hatten und auch keine anderslautende gerichtliche Entscheidung ergangen ist, konnte der Auftragnehmer eine Abschlagszahlung in Höhe von 80 Prozent des Betrags aus seinem Nachtragsangebot beanspruchen. Unabhängig davon, ob es sich um einen reinen BGB-Bauvertrag oder einen VOB/B-Vertrag handelt, greift also die 80-Prozent-Regelung.

Achtung Mangeleinbehalt

Nicht aus dem Auge verlieren sollte der Auftragnehmer aber, dass der Auftraggeber ungeachtet dieser Regelung ein Recht zum Mangeleinbehalt hat. Zahlt er also nicht, weil (tatsächlich) Mängel vorliegen, hilft auch die 80-Prozent-Regelung nicht.


    

Rechtsanwalt Thorsten Albrecht

Das Fazit zum VOB/B-Vertrag und der 80-Prozent-Regelung
„Der Auftragnehmer kann seine Position in erster Linie deutlich verbessern, wenn er von der 80-Prozent-Regelung Gebrauch macht. Dazu muss er 80 Prozent seiner ihm nach Leistungsstand zustehenden Nachtragsvergütung unter Bezug auf die Regelung in seine Abschlagsrechnung einstellen. Dann muss der Auftraggeber entweder zahlen oder ein gerichtliches Verfahren einleiten. Dies erhöht die Motivation zur Zahlung deutlich.“

Thorsten Albrecht, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Weiss Weiss Rechtsanwälte

§ 650b Änderung des Vertrags; Anordnungsrecht des Bestellers

(1) Begehrt der Besteller1. eine Änderung des vereinbarten Werkerfolgs (§ 631 Absatz 2) oder2. eine Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist,streben die Vertragsparteien Einvernehmen über die Änderung und die infolge der Änderung zu leistende Mehr- oder Mindervergütung an. Der Unternehmer ist verpflichtet, ein Angebot über die Mehr- oder Mindervergütung zu erstellen, im Falle einer Änderung nach Satz 1 Nummer 1 jedoch nur, wenn ihm die Ausführung der Änderung zumutbar ist. Macht der Unternehmer betriebsinterne Vorgänge für die Unzumutbarkeit einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 geltend, trifft ihn die Beweislast hierfür. Trägt der Besteller die Verantwortung für die Planung des Bauwerks oder der Außenanlage, ist der Unternehmer nur dann zur Erstellung eines Angebots über die Mehr- oder Mindervergütung verpflichtet, wenn der Besteller die für die Änderung erforderliche Planung vorgenommen und dem Unternehmer zur Verfügung gestellt hat. Begehrt der Besteller eine Änderung, für die dem Unternehmer nach § 650c Absatz 1 Satz 2 kein Anspruch auf Vergütung für vermehrten Aufwand zusteht, streben die Parteien nur Einvernehmen über die Änderung an; Satz 2 findet in diesem Fall keine Anwendung.(2) Erzielen die Parteien binnen 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens beim Unternehmer keine Einigung nach Absatz 1, kann der Besteller die Änderung in Textform anordnen. Der Unternehmer ist verpflichtet, der Anordnung des Bestellers nachzukommen, einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 jedoch nur, wenn ihm die Ausführung zumutbar ist. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.