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Von Äpfeln und Birnen

Auf der Basis tatsächlicher Kosten Nachträge effektiv durchsetzen: Selten wird am Ende des Tages exakt und ausschließlich die Leistung ausgeführt, die im Vertrag beschrieben ist. Leistungsänderungen und zusätzliche Leistung sind an der Tagesordnung. Streitpunkt in der täglichen Praxis ist weniger, ob Änderungen oder Zusatzleistungen auszuführen sind, sondern ob und in welcher Höhe der Auftraggeber sie gesondert zu vergüten hat.

Um die Höhe der Nachtragsvergütung zu bestimmen, wurde jahrzehntelang das System der VOB/B angewendet. Nach § 2 Abs. 5 bzw. Abs. 6 VOB/B wurde die Vergütung für Nachträge nach den „Grundlagen des Preises“ bzw. den „Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung“ ermittelt. Dabei bestand Einigkeit, dass der Preis für die Nachtragsleistung unter Fortschreibung der Urkalkulation zu ermitteln ist. Maßgeblich sind also die Ansätze, die in der Kalkulation des Vertragspreises niedergeschrieben wurden. Mit der Baurechtsreform ergab sich eine wesentliche Änderung. Nach § 650c BGB richtet sich die Vergütung für Nachträge nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn.


Nur ausnahmsweise – nämlich wenn vertraglich vereinbart ist, dass die Urkalkulation zu hinterlegen ist und diese auch tatsächlich hinterlegt wurde – kann auf die Ansätze in der Kalkulation zurückgegriffen werden und diese der Nachtragsvergütung zugrunde gelegt werden. Dann jedoch lediglich als vom Auftraggeber widerlegbare Vermutung, dass der Ansatz in der Kalkulation den tatsächlich erforderlichen Kosten entspricht.


Es ist also zu ermitteln, was die Nachtragsleis­tung (d.h. die geänderte Leistung oder die zusätzliche Leistung) tatsächlich für den Unternehmer an Mehraufwand bedeutet. Die tatsächlichen Kosten für die Ausführung der Leistung sind aber nicht einfach dem kalkulierten Preis gegenüberzustellen. Das wäre der sprichwörtliche Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Stattdessen müssen auch für die ursprünglich im Vertrag vorgesehene Leis­tung die tatsächlichen Kosten ermittelt werden. Es muss also ermittelt werden, was die Leistung gekostet hätte, wenn sie so ausgeführt worden wäre, wie der Vertrag dies ursprünglich vorgesehen hat. Die Differenz dieser Kosten stellt dann die tatsächlich erforderlichen Mehrkosten (oder auch Minderkosten) dar.


Recht Von Äpfeln und Birnen Aufmacherbild
Bildnachweis: iStock.com - ivanmateev

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht,
Thorsten Albrecht, Weiss Weiss Rechtsanwälte aus Hollenstedt

Nachweise erforderlich

Darin liegt eine grundlegende Änderung in der Ermittlung der Nachtragsvergütung. Da auch weiterhin der Unternehmer nachweispflichtig für die Höhe seiner Nachtragsvergütung ist, muss er sowohl für die Nachtragsleistung als auch (im Nachtragsfall) für seine ursprünglich vorgesehene Vertragsleistung die tatsächlichen Kosten ausweisen und nachweisen können. Im Ergebnis werden die Anforderungen an die Nachweisführung – wenig überraschend – stetig höher. Die bei Juristen, vor allem bei Behörden und Gerichten, ausgeprägte Liebe zu umfangreicher Dokumentation wird vom Praktiker – aus guten Gründen – jedoch kaum erwidert.


Weiter wie bisher?

Nun könnte sich der Unternehmer daher beruhigt zurücklehnen mit der Gewissheit: Die Baurechtsreform gilt nur für Verträge, die ab dem 01.01.2018 geschlossen wurden, und § 650c BGB gilt nur, wenn auch tatsächlich die gesetzlichen Nachtragsregelungen – und nicht die VOB/B – gelten. So einfach ist es aber indes nicht. Einerseits ist es bereits sehr umstritten, ob die VOB/B-Nachtragsregelungen noch wirksam vereinbart werden können, da das Gesetz eine eindeutige, abweichende Regelung beinhaltet (Ausnahme: Die VOB/B ist als Ganzes vereinbart). Andererseits tendieren einzelne Oberlandesgerichte (allen voran das Kammergericht Berlin, bspw. Urteil vom 27.08.2019, Az. 21 U 160/18) dazu, die VOB/B-Regelungen zwar weiterhin für anwendbar zu erklären, für die Nachtragshöhe aber auf das neue System der tatsächlichen Kosten zurückzugreifen.


Als Grundlage dient die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu § 2 Abs. 3 VOB/B (Urteil vom 08.08.2019, Az. VII ZR 34/18). Der BGH hatte entschieden, dass für Massenmehrungen ebenfalls die tatsächlich erforderlichen Kosten in Ansatz zu bringen sind. Grundlage für Massenmehrung sind aber immer Änderungen aus dem Bauablauf heraus – ohne Zutun eines Vertragspartners. Im Gegensatz dazu beruhen Nachträge stets auf einer Entscheidung des Auftraggebers.


Wenn nun das Kammergericht (und in die gleiche Richtung das OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.12.2019, Az. 5 U 52/19) entschieden hat, dass auch für Nachträge die tatsächlich erforderlichen Kosten anzusetzen sind, und zwar auch dann, wenn es sich um einen Vertrag handelt, der vor dem 01.01.2018 geschlossen wurde (KG Berlin, Urteil vom 21.09.2017), drängt sich der Verdacht auf, dass an dieser Stelle möglicherweise Äpfel mit Birnen verglichen wurden. Am Ende bleibt dem Unternehmer aber nur, sich an der obergerichtlichen Rechtsprechung zu orientieren. Dies bedeutet: Um sich nicht an formalen Hürden aufzureiben, sollte er in der Lage sein, für Nachtragsleistungen die tatsächlich erforderlichen Kosten darzustellen. Ebenso sollte er dafür Sorge tragen, dass er bei Bedarf auch für die ursprünglich vorgesehenen Leistungen die tatsächlichen Kosten aufschlüsseln kann; idealerweise, ohne sich in Widerspruch zu den angebotenen und kalkulierten Preisen zu setzen.


Fazit

„Es lässt sich – auch bei VOB/B-Verträgen – kaum vermeiden, bei Nachträgen die Bestandteile der Preise aufzuschlüsseln und tatsächliche Kosten nachzuweisen“, führt Rechtsanwalt Thorsten Albrecht aus. „Der Unternehmer tut gut daran, sich von Anfang an, also bereits im Rahmen der Kalkulation, entsprechend aufzustellen und Nachweise zusammenzustellen. Dies erleichtert später eine Durchsetzung der Nachträge. Ist die Grundlage entsprechend gut, ist in der Gesamtschau auch der Aufwand für die Aufbereitung von Nachträgen geringer, als wenn im Nachhinein eine Aufarbeitung erfolgen muss. Empfehlenswert ist daher eine sorgfältige Prüfung des Bauvertrages von Anfang an und eine entsprechende Ausrichtung der betrieblichen Organisation und Kalkulation auf die neuen rechtlichen Anforderungen zur Preisaufschlüsselung.“


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