Keine Anordnung, kein Geld?
Damit eine Fassade funktionsfähig ist, können etwa aufgrund statischer Anforderungen zusätzliche Arbeiten notwendig sein. Worauf Schüco Partner im Umgang mit der Vergütung dieser Nachträge achten sollten.
Immer wieder treten solche Fälle auf: Aufgrund von statischen Erfordernissen muss die ausgeschriebene Leistung geändert werden oder es kommt ein zusätzlicher Aufwand hinzu, zum Beispiel das Einbringen von Einschieblingen. Der Unternehmer führt aus und der Auftraggeber nimmt die Leistung entgegen. Doch er bezahlt die Mehrkosten nicht. Seine Begründung: Er habe die Arbeiten nicht angeordnet. Bleibt der Unternehmer nun auf seinen Kosten sitzen? Die Vergütung von Nachträgen setzt eine Vereinbarung der Vertragspartner oder zumindest eine Anordnung des Auftraggebers voraus (§ 2 Abs. 5, 6 VOB/B; § 650b Abs. 2 BGB). Diese Frage hatte das Oberlandesgericht Jena im nachfolgenden Fall zu klären: Während der Bauphase stellte sich heraus, dass zusätzliche Maßnahmen erforderlich waren, um die Tragfähigkeit des Bauwerks sicherzustellen. Daraufhin trafen sich ein Vertreter der Stadt, die den Auftrag erteilt hatte, deren Gutachter und der Bauleiter des Auftragnehmers. Sie kamen überein, dass die zusätzlichen Maßnahmen auszuführen sind. Dies wurde protokolliert.
Bauherr verweigert Zahlung
Der Auftragnehmer stellte seinen Nachtrag in Rechnung. Die Stadt verweigerte jedoch die Zahlung. Der Unternehmer verwies auf das Protokoll. Die Stadt argumentierte: Der Vertreter der Stadt war vom Bürgermeister zwar zur Abgabe von Willenserklärungen bevollmächtigt, die Vollmacht umfasste jedoch nicht den Abschluss von vertraglichen Vereinbarungen. Das Protokoll stellte somit keine wirksame Anordnung dar.
Tragfähigkeit des Bauwerks gewährleisten
Für einen Vergütungsanspruch ist eine wirksame Anordnung aber nicht zwingend erforderlich. Denn es handelte sich bei den ausgeführten zusätzlichen Arbeiten um Leistungen, die für die Erfüllung des Vertrages notwendig waren. Wären sie nicht ausgeführt worden, wäre die Tragfähigkeit nicht gewährleistet gewesen. Damit waren die Maßnahmen (technisch) zwingend notwendig, um ein funktionstüchtiges Werk herzustellen. Und die Funktionsfähigkeit ist vom Auftragnehmer stets geschuldet!
Voraussetzungen für eine Vergütung nach § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B
- Die Leistung für die Erfüllung des Vertrages notwendig.
- Die Ausführung entspricht mutmaßlichem Willen des Auftraggebers.
- Unverzügliche Anzeige gegenüber dem Auftraggeber.
Auftragnehmer meldet Bedenken an
Führt die ausgeschriebene Leistung nicht zu einem funktionsfähigen Werk, muss der Unternehmer Bedenken anmelden. Im vorliegenden Fall war die Problematik allen bekannt und bewusst sowie Gegenstand der gemeinsamen, protokollierten Besprechung. Nur für notwendige Leistungen, ohne die das Werk des Auftragnehmers mangelhaft wäre, kann eine gesonderte Vergütung verlangt werden. Es reicht nicht aus, wenn die zusätzlichen Leistungen zweckmäßig oder nützlich sind. Die Ausführung entsprach auch dem mutmaßlichen Willen der Stadt. Sie hat durch ihren Vertreter in der Baubesprechung selbst zum Ausdruck gebracht, dass die Ausführung gewünscht ist. Entscheidend ist nach dem Bundesgerichtshof letztlich der Wille eines verständigen Betrachters bei objektiver Beurteilung aller Umstände.
Rechtzeitig informieren und Leistungen beschreiben
Zudem hatte der Auftragnehmer die durchzuführenden Arbeiten auch unverzüglich angezeigt. Dazu reicht es nach dem OLG Jena aus, wenn der Auftragnehmer die nicht beauftragten Leistungen nach Art und Umfang so beschreibt, dass der Auftraggeber rechtzeitig informiert wird und ihm die Möglichkeit gegeben wird, billigere Alternativen zu wählen. Nähere Angaben zur Höhe der für die nicht in Auftrag gegebenen Leistung anfallenden Vergütung sind dagegen nicht erforderlich. Im Ergebnis hat das Oberlandesgericht daher – wie auch das erstinstanzliche Gericht – einen Anspruch des Unternehmers nach § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B bejaht und ihm die zusätzliche Vergütung zugesprochen.
Das Fazit
Für Leistungen, die technisch für ein funktionsfähiges Werk zwingend auszuführen sind, ist nicht in jedem Fall eine Anordnung des Auftraggebers erforderlich. „Eine Anordnung schafft aber Rechtssicherheit“, so Rechtsanwalt Thorsten Albrecht. „Sie sollte daher möglichst immer vom Auftraggeber abgefordert werden. Vor allem aber in Fällen, in denen Streit darüber entstehen kann, ob Leistungen notwendig oder lediglich nützlich sind. Verweigert der Auftraggeber die Anordnung, obwohl er die Leistung selbst für erforderlich hält, um damit vermeintlich einer Nachtragsvergütung zu entgehen, ist die Leistung als notwendig anzusehen.“ Dies geht unmittelbar aus der Entscheidung des OLG Jena hervor.
„Vorsicht Falle! Das Landesrecht der Bundesländer sieht grundsätzlich vor, dass Erklärungen für die Gemeinde nur schriftlich durch den Bürgermeister oder seinen Stellvertreter abgegeben werden können – oder durch auf diesem Wege Bevollmächtigte. Allein eine Funktion in der Gemeindeverwaltung berechtigt noch nicht zur wirksamen Vertretung. Es handelt sich um zwingende Formvorschriften, ein Verstoß führt zur Unwirksamkeit der Erklärung."
Die zugrundeliegenden Urteile:
- Oberlandesgericht Jena, Urteil vom 25.03.2021, Az. 8 U 592/20
- Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.11.2003, Az. VII ZR 346/01
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