PROFILE: Wie entwickelt sich denn ein Architekturbüro über solch lange Zeiträume: also von den 1960er Jahren bis heute weiter?
Prof. Gerber: Jede Epoche hat ihren Zeitgeist. Dieser drückt sich auch in der Architektur aus – sowohl in der Formensprache und Kubatur als auch im inhaltlichen Programm. Ein Architekturbüro muss die Voraussetzungen und dessen Mitarbeiter die Fähigkeiten haben, den Trend zu erkennen und vor allem: ihn mit zu entwickeln und zu prägen. Um den jeweiligen Zeitgeist zu erfassen, ist Neugierde eine für den Architekten wichtige Eigenschaft. Es gilt für ihn herauszufinden, welche neuen Entwicklungen in Architektur und Alltag in die Zukunft weisen. Für die Praxis eines erfahrenen Architekten und Planers bedeutet dies, vornehmlich auch mit jüngeren Menschen zusammenzuarbeiten. Sie haben hinsichtlich ihrer Entwurfsausbildung eine andere Schule durchlaufen, und betrachten die Welt aus ihrer eigenen Perspektive. Allein dadurch sind sie näher am Zeitgeist. Wichtige Grundlage für die positive Entwicklung eines Büros ist zudem der partnerschaftliche Umgang im Büro. Architektur entsteht durch Diskussionen. Alle bringen sich ein, und gemeinsam bringen wir die Projekte voran. Das ist für mich das Schöne am Beruf des Architekten.Blicken wir auf den Fortschritt in den Architekturbüros im Allgemeinen, bin ich mir sicher, dass die diversifizierte Bürolandschaft der Architekten sich zu weniger, aber dafür größere Büros entwickeln wird, die den überwiegenden Teil der Planungsaufgaben umsetzen. Grund dafür sind die Vergabeverfahren für Projekte, die eine Expertise in dem jeweiligen Aufgabenbereich voraussetzen. Das muss zur Folge haben, dass Architekturbüros in einzelnen Planungsbereichen spezialisieren werden. Junge Büros mit möglichen neuen, innovativen Ansätzen werden es hingegen schwer haben, sich in den gesetzten Arbeitsfeldern zu positionieren.
PROFILE: Ihre Architektursprache steht nicht für einen wiedererkennbaren Stil, sondern vielmehr für eine jeweils für Ort und Nutzung entwickelte zeitgemäße Ausdrucksweise. Was sind die zentralen Themen Ihrer Architektur?
Prof. Gerber: Die Entwürfe, die in unserem Büro entwickelt werden, zeichnen sich in der Tat nicht durch einheitlichen Stil aus. Es sind Prinzipien, die wiedererkennbar sind. Die Funktionalität ist ein wichtiger Aspekt, ebenso die Verknüpfung von Gebäude und Landschaft sowie Räume für Kommunikation zu schaffen. Eine mögliche Schwierigkeit, die eine Entwurfsaufgabe oder ein Grundstück birgt, sehen wir als Herausforderung und die Möglichkeit, aus ihr ein Konzept zu formen. Den Entwurf sehen wir zudem stets im Kontext zum Stadtraum, in dem er steht. Zum Beispiel das Harenberghaus in Dortmund: Wir hätten dort einen gewöhnlichen Blockrand bauen können. Mit dem Verleger Bodo Harenberg konnten wir jedoch ein Gebäude entwickeln, das zum einen einen eigenen Stadtraum in Richtung Hauptbahnhof bildet und sich zum anderen in den bestehenden Stadtraum einfügt. Das wird dadurch möglich, dass es den historischen Dortmunder Wallring in seiner Form im sogenannten "Tortenstück" aufnimmt und fortführt und dabei dennoch eine Eigenständigkeit erreicht und als Orientierungspunkt in der Stadt dient. Unser Anliegen ist es, aus der vorhandenen Situation, einen neuen Ort zu schaffen. Dass Gebäude ihren Beitrag zum Stadtraum leisten müssen, darf dabei nicht außer Acht gelassen werden.