Was suchen Sie?
...
Service

Bauablauf gestört, Vertragsstrafe hinfällig?

Welche Ansprüche hat ein Bauherr bei einem gestörten Bauablauf hinsichtlich einer Vertragsstrafe und wann entfällt sie? Thorsten Albrecht, Rechtsanwalt sowie Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, gibt Auskunft.

Bauablauf Vertragsstrafe

Gestörter Bauablauf gleich Vertragsstrafe?

Störungen in Bauablauf sind eher die Regel als die Ausnahme. Auftraggeber nehmen die daraus resultierende Terminüberschreitung gerne zum Anlass, eine Vertragsstrafe geltend zu machen. Nicht selten werden dabei bauseitige Einflüsse ignoriert. Aber selbst wenn diese unstreitig sind, wird vom Auftraggeber nicht selten eingewendet, dass Verzögerungen die Vertragsstrafe nicht entfallen lassen. Vielmehr gelte die Vertragsstrafe dann für den Fall der Überschreitung der sich aus der Verschiebung ergebenden neuen Ausführungszeiten. Kann sich der Auftraggeber tatsächlich noch auf eine Vertragsstrafenklausel berufen, wenn  Ursachen aus dem bauseitigen Risikobereich zu Verzögerungen geführt haben?


Die Antwort hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Damit befasste sich das OLG Frankfurt/M. in seinem Urteil vom 03.02.2023 (Az. 21 U 47/20).

Grundsätzlich kann danach eine Vertragsstrafenvereinbarung so ausgelegt werden, dass der Vertragstermin um den nicht vom Auftragnehmer zu vertretenden Verzögerungszeitraum verlängert wird und die Vertragsstrafe damit für diesen gilt. Das setzt aber voraus, dass „nicht sonderlich ins Gewicht fallende Abweichungen vom Fristplan vorliegen“.

Wann fehlt die Grundlage für die Vertragsstrafe?

Haben die von dem Auftragnehmer nicht zu vertretenden Störungen dagegen seinen gesamten Zeitplan umgeworfen und ist er deshalb zu einer durchgreifenden Neuordnung gezwungen, kommt eine solche bloße Verschiebung des Verfalltermins nicht mehr in Betracht. Vielmehr wird der Vertragsstrafenregelung in einem solchen Fall insgesamt die Grundlage entzogen.

Es kann von vornherein nicht angenommen werden, so das OLG im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Vertragspartner auch eine Situation von dem Vertragsstrafeversprechen erfasst sehen wollten, bei der sich der Auftragnehmer zu einer grundlegenden Neuordnung seines Terminplans gezwungen sieht und dies auf nicht von ihm zu vertretenden Umständen beruht.

Wann ist die Vertragsstrafenklausel hinfällig?

Grundlegende Änderungen des Terminplans ziehen erfahrungsgemäß weitere Folgen nach sich, die nicht mehr in das ursprüngliche Vertragsbild einzuordnen sind. Sie haben zur Folge, dass die Berechnung der neuen Frist in einer Weise unsicher wird, welche für an Vertragsfristen anknüpfende Vertragsstrafeversprechen nicht mehr hinzunehmen ist. Der Unternehmer kann sich deshalb auch bei solchen Vertragswerken darauf berufen, die Vertragsstrafenabrede sei wegen eines umgeworfenen“ Terminplans hinfällig, welche dem Unternehmer einen vertraglichen Anspruch auf Verlängerung der Fertigstellungsfrist einräumen.

Bauablauf: Darlegungs- und Beweislast

Den Auftragnehmer trifft die Darlegungs- und Beweislast für seine Behauptung, er habe die Fristüberschreitung nicht zu vertreten oder durch von ihm nicht zu vertretende Umstände sei der Zeitplan so gestört, dass ein Anspruch auf Vertragsstrafe ganz entfällt.

Die Rechtsprechung hat erkannt, dass es dem Unternehmer bei komplexen Bauablaufstörungen vielfach kaum gelingen wird, die unter Umständen beiderseits verursachten Bauablaufstörungen in eine aussagekräftige Gegenüberstellung von Ist- und Sollablauf einzuordnen.

Entsprechend sieht das OLG es als ausreichend an, wenn der Unternehmer seine Betrachtung auf wenige, vom Auftraggeber zu vertretende bauzeitverlängernde Störungen konzentriert.

Es genügt, wenn der Auftragnehmer darlegt, dass er schon allein wegen der von dem Auftraggeber zu vertretenden Umstände zu einer erheblichen Umstellung des Terminplans gezwungen worden war, welche die Zeitplanung „umgeworfen“ haben.

Erforderlich ist also eine erhebliche Störung des Bauablaufs durch Einwirkungen, die im Verantwortungsbereich des Auftraggebers liegt. Wegen der aus dieser Störung resultierenden Umstellungen des Arbeitsablaufs muss sie für sich genommen entweder die Einhaltung des vereinbarten Fertigstellungstermins oder die Verschiebung des Fertigstellungstermins um einen nur unerheblichen Zeitraum als ausgeschlossen erscheinen lassen.

Ein Umstoßen des Terminplans kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zudem auch dann in Betracht, wenn zu einer von dem Auftraggeber angeordneten, nicht unwesentlichen Terminverschiebung zudem von ihm angeordnete Leistungsänderungen hinzutreten.

Rechtsanwalt Thorsten Albrecht

„Immer dann, wenn aufgrund bauseitiger Behinderungen eine Fortschreibung der Vertragstermine nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit möglich ist und wenn der Ablauf erheblich umgestellt werden muss, entfällt die Vertragsstrafe,“ so Rechtsanwalt Thorsten Albrecht. „Es schadet dabei nicht, wenn der Unternehmer selbst auch Verzögerungen verursacht hat, solange die Störungen aus dem Bereich des Auftraggebers für sich genommen zu einer Überschreitung des Vertragstermin geführt hätten.“

Thorsten Albrecht, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Weiss Weiss Rechtsanwälte

Ursachen Bauzeitverlängerungen

Häufig treten unterschiedliche Störungen auf. Auch aus dem Verantwortungsbereich des Unternehmens können sich Verzögerungen einstellen. Für die Frage, ob die Vertragsstrafe entfällt, kommt es darauf an, ob die bauseitige Störung unabhängig von der Störung durch den Auftragnehmer geeignet war, die Überschreitung des Vertragstermins zu verursachen, für dessen Überschreitung die Vertragsstrafe vereinbart war.

Im vom OLG entschiedenen Fall hatte der Auftragnehmer zunächst noch Kapazitäten anderweitig gebunden und konnte seine Arbeiten nicht pünktlich aufnehmen. Jedoch wäre der Fertigstellungstermin auch dann überschritten worden, wenn der Unternehmer zur vorgesehenen Zeit begonnen hätte. Denn der Auftraggeber hatte die Baufreiheit nicht rechtzeitig hergestellt. Aufgrund des letztendlichen Zeitpunkts, zu welchem er die Voraussetzungen dafür geschaffen hatte, dass der Auftragnehmer tatsächlich hätte anfangen können, war der Fertigstellungstermin nicht mehr einzuhalten.

Damit war eine erhebliche bauseitige Störung für sich genommen ursächlich dafür, dass der Vertragstermin nicht einzuhalten war. In Folge entfiel die Vertragsstrafe, so das OLG.


Weitere Informationen und Trainings: In Zusammenarbeit mit den Weiss Weiss Rechtsanwälten bietet Schüco Seminare zum Baurecht an www.schueco.de/training